Kommunikationskultur

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Wie wir uns verständigen

 

Das direkte Gespräch

Unsere eigene Kommunikation entwickelt sich, sobald wir auf der Welt sind. Zuerst besteht sie aus Berührungen, Lauten und Blickkontakt. Nach und nach entwickelt sich dann unser Wortschatz, der zu Beginn hauptsächlich aus Nachahmung gehörter Wörter und mit der Zeit von Sätzen besteht. Auf diese frühe Kommunikationsphase möchte ich nicht näher eingehen.

Ich gehe jedoch davon aus, dass sich unsere Kommunikation ein Leben lang weiterentwickelt. Sobald wir einigermassen unserer Sprache und Ausdrucksfähigkeit mächtig sind, sind wir auch in der Lage, mit anderen Menschen zu sprechen, zu kommunizieren. Es gibt hundert verschiedene Arten, miteinander zu kommunizieren. Per Telefon, per Skype, per SMS, per Chat, per Brief, mit Morsezeichen, … und natürlich das direkte Gespräch. Meine Betrachtungen möchte ich auf das direkte Gespräch zwischen zwei oder mehr Menschen beschränken. Dies ist aus meiner Sicht die realste und direkteste Form der Kommunikation. Ich bevorzuge das direkte Gespräch in jedem Fall, wenn es darum geht, ernsthaft und differenziert mit jemandem zu reden. Jede andere Kommunikationsform, vor allem wenn sie schriftlich ist, bietet eine Vielzahl von Möglichkeiten die zu Missverständnissen führen können.

Im direkten Gespräch zeigen sich entsprechend viele weitere Kommunikationsmerkmale, die das Gespräch begleiten. Wir hören die Stimme des Gegenübers, seine Art, etwas zu betonen, die Sprechgeschwindigkeit und vieles mehr. Ausserdem sehen wir die Mimik, die Gestik und Körpersprache welche die gesprochenen Worte begleiten. Zudem bietet sich so die Gelegenheit für Rückfragen, wenn etwas nicht richtig verstanden wurde oder unklar ist. Bezogen auf die Kommunikationspsychologie von Friedemann Schulz von Thun* heisst das, dass viel schneller geklärt werden kann, auf welcher Ebene die Botschaft gesendet und empfangen wird. Schulz von Thun geht in seiner Theorie von vier verschiedenen Kommunikationsebenen aus: Sachebene, Selbstoffenbarungsebene, Appellebene und Beziehungsebene. Jeder Mensch, der etwas sagt, sendet eine Botschaft auf einer der vier Ebenen, ob er das will oder nicht. Dazu werden diese Ebenen sowohl verbal als auch nonverbal (Mimik, Gestik und Körpersprache) bedient.

Am Beispiel des Loriot-Sketchs lassen sich die vier Ebenen gut aufzeigen:

Loriot 001

Bilder aus: http://de.slideshare.net/HairyFloh/prsentation-loriot-presentation

 

Hermann und Berta am Frühstückstisch

Im Loriot-Sketch sitzen Hermann und Berta am Frühstückstisch. Hermann äussert sich vermeintlich sachlich zu seinem Frühstücksei. Er könnte damit jedoch vier unterschiedliche Aussagen meinen:

→ Er gibt seiner Frau eine reine Sachinformation: das Ei ist hart

→ Er sagt etwas über seine persönliche Befindlichkeit aus: es ärgert mich, dass ich ein hartes Ei habe

→ Er äussert sich über seine Beziehung zu Berta: du gibst dir überhaupt keine Mühe, mir ein weiches
    Ei zu kochen

→ Er formuliert seine Erwartung an Berta: ich erwarte von dir, dass du mir ein neues Ei kochst

Egal, welche Aussage Hermann mit seiner Bemerkung machen will, von Berta wird sie mit Sicherheit auch nochmals persönlich interpretiert. In einer Beziehung, wie sie hier vorzuliegen scheint, wird selten einfach nur die Sachebene zur Kenntnis genommen. In der Regel wird eine solche Aussage aufgrund der bisherigen Erfahrungen gedeutet. Berta könnte also folgendes verstehen:

→ Berta hört eine neutrale Feststellung: das Ei ist hart

→ Berta interpretiert, dass Hermann seine Befindlichkeit zum Ausdruck bringt: ich ärgere mich, dass ich
    ein hartes Ei essen muss

→ Berta versteht eine Kritik an ihrer Beziehung zu Hermann: du gibst dir für mich überhaupt keine Mühe,
    ein richtig weiches Ei zu kochen

→ Berta hört eine Aufforderung an sich: ich erwarte von dir, dass du mir ein neues Ei kochst

Entsprechend unterschiedlich kann Berta auf Hermanns Aussage reagieren:

→ Aha, das Ei ist hart

→ Warum ärgerst du dich?

→ Ich hab das Ei extra für dich gekocht und genau auf die Uhr geschaut

→ Ich koche dir sofort ein neues Ei

 

das 4ohrenmodell 19 638

 

Daraus entstehen 16 (!) verschiedene Kombinationsmöglichkeiten von Aussage und Interpretation. Genauso kann es in der täglichen Unterhaltung von Personen untereinander zu solchen kommunikativen Missverständnissen kommen. Die Erkenntnis beruht auf dem Vier-Ohren-Modell nach Friedemann Schulz von Thun.

 

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Das solch verschiedene Interpretationsmöglichkeiten einer Aussage zu Missverständnissen oder gar Konflikten führt, liegt auf der Hand.

Die wenigsten Menschen hören den anderen so genau zu, dass sie erkennen, auf welcher Ebene das gegenüber eine Aussge gemacht hat. Ging es um eine sachliche Feststellung, eine Aussage über seine Befindlichkeit, eine Kritik auf der Beziehungsebene oder ist es ein Appel an mich? Zudem haben sich viele Menschen daruf eingestellt, je nach persönlicher Empfindung, Stimmung oder zurückliegenden Erfahrungen jeweils die Botschaft auf einem speziellen Ohr wahrzunehmen. In Beziehungen hört man daher schnell die Beziehungsebene oder den Appel-Charakter der Botschaft heraus.

Fortsetzung folgt

 

 

 

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